Die Wahlen zur 16. Legislaturperiode der beiden Kammern des italienischen Parlaments fanden am 13. und 14. April 2008 statt. Berlusconis Parteienbündnis gewann in beiden Kammern (siehe unten); Berlusconi bildete das Kabinett Berlusconi IV (8. Mai 2008 bis zum 16. November 2011).

Ausgangssituation

Nach einer verlorenen Vertrauensabstimmung über die Regierung von Romano Prodi im Senat am 24. Januar 2008 und den vergeblichen Bemühungen von Senatspräsident Franco Marini zur Bildung einer Übergangsregierung (30. Januar – 4. Februar 2008) löste Staatspräsident Giorgio Napolitano beide Parlamentskammern am 6. Februar 2008 auf und schrieb vorzeitige Neuwahlen aus. Da sich die beiden politischen Lager nach dem Aus für die zweite Regierung Prodi nicht mehr auf eine Reformierung des vielfach kritisierten Wahlrechts durch ein überparteiliches provisorisches Kabinett verständigen konnten, endete die 15. Legislaturperiode des Parlaments als die bislang kürzeste in der italienischen Nachkriegsgeschichte nach nur knapp zwei Jahren. Aus Gründen der Kostenersparnis wurden zudem die ursprünglich im Frühsommer anstehenden Kommunalwahlen vorgezogen und an zwei von Politikern und Medien als Election day bezeichneten Wahltagen (13./14. April) mit den Parlamentswahlen zusammengelegt.

Die Wahlen zur Abgeordnetenkammer und zum Senat bestritten die beiden politischen Lager nicht mehr als kompakten Lagerwahlkampf wie 2006. Während sie vor zwei Jahren noch in den Blöcken Casa delle Libertà (Mitte-rechts) und L’Unione (Mitte-links) darum bemüht waren, mit möglichst breiten Bündnissen möglichst viele Stimmen zu erhalten, lösten sich diesmal die stärksten Parteien aus ihren jeweiligen Allianzen heraus, um möglichst keine Kompromisse mehr mit den vielen Kleinparteien eingehen zu müssen. Nach der Ankündigung Walter Veltronis, des Spitzenkandidaten der größten Mitte-links-Partei Partito Democratico, sich von seinen linken Bündnispartnern der L'Unione zu trennen und mit einer Einzelliste ins Rennen zu gehen, sah sich auch Silvio Berlusconi zu einem ähnlichen Schritt veranlasst: Aus seiner Forza Italia, der Alleanza Nazionale und einigen Splitterparteien bildete er die Liste Popolo della Libertà (PdL), mit der Option eines späteren Zusammenschlusses zu einer großen Sammlungspartei. Die nur im Norden antretende Lega Nord ging – ohne direkte Beteiligung am PdL – mit diesem ein wahlstrategisches Bündnis (eine Listenverbindung) ein. Kein Übereinkommen konnte Berlusconi dagegen mit der UDC von Pier Ferdinando Casini erzielen, welche mit der Ende Januar von ihr abgespaltenen Rosa Bianca eine gemeinsame Liste der politischen Mitte bildete. Auf Seiten des Mitte-links-Lagers schlossen sich die vier größten Parteien der radikalen Linken in der Sammelliste La Sinistra – L’Arcobaleno unter dem kommunistischen Parlamentspräsidenten Fausto Bertinotti als Spitzenkandidat zusammen, während Veltronis PD zwei kleinere Partner hinzugewinnen konnte: Die Radicali Italiani beteiligten sich mit ihren Kandidaten an der Liste des PD, und mit Antonio Di Pietros IdV konnte ein Bündnis (mini-coalizione) ausgehandelt werden. Einige Kleinparteien wie der PS, La Destra, die UDpC u. a. traten ohne Listen- oder Bündnispartner an und riskierten dadurch, an den Sperrklauseln (4 % zum Abgeordnetenhaus, 8 % zum Senat) zu scheitern.

Zeitplan

  • 6. Februar 2008: Auflösung der Parlamentskammern durch Staatspräsident Napolitano
  • 29. Februar – 2. März 2008: Präsentation der Partei- und Bündnissymbole
  • 9. – 10. März 2008: Präsentation der Kandidatenlisten
  • ab 29. März 2008: Veröffentlichungsverbot von Wählerumfragen
  • ab 12. April 2008: Verbot von Wahlkampfveranstaltungen („Silenzio elettorale“)
  • 13. – 14. April 2008: Parlamentswahlen
  • 29. April 2008: Konstituierende Sitzungen von Abgeordnetenkammer und Senat

Bündnisse, Listen und Parteien

Bündnisse (Listenverbindungen)

Listen

Einzelparteien

Umfragen

Schon einige Monate vor Prodis Rücktritt lag das Mitte-rechts-Lager um Silvio Berlusconi in der Wählergunst vorn: Nach Aussagen des Meinungsforschungsinstituts IPSO hatte es nach dem Ausbruch der Regierungskrise mit ca. 56 % der Stimmen einen Vorsprung von 10 – 15 % vor Prodis Mitte-links-Koalition (bei 43 – 44 %). Spätere Umfragen von IPR Marketing ließen allerdings eine allmähliche Verringerung des Abstands auf 8 % erkennen (52,5 % Mitte-rechts gegenüber 44,5 % Mitte-links), was in erster Linie mit dem „effetto Veltroni“, der Bereitschaft des populären Walter Veltroni zum Spitzenduell mit Berlusconi, erklärt wurde. Eine am 3. März 2008 veröffentlichte Umfrage desselben Instituts, welche die neusten Listen- und Bündnisbildungen berücksichtigte, kam zu folgendem Ergebnis: PdL-LN-MpA: 43 % (entspricht 38 % 4,5 % 0,5 %), PD-IdV: 36 % (entspricht 32 % 4 %), Sinistra-Arcobaleno: 7,5 %, UdC: 7 %, La Destra: 2,5 %, PS: 1,5 %.

Nach den letzten Umfragen vor dem allgemeinen Veröffentlichungsverbot für Prognosen (ab dem 29. März 2008) ergab sich das folgende Bild: PdL-LN-MpA: 43,3 – 46 %, PD-IdV: 35,5 – 39,1 %, Sinistra-Arcobaleno: 6,0 – 7,8 %, UdC: 5,1 – 7,7 %, La Destra: 2,0 – 4,0 %, PS: 0,7 – 2,3 %, Sonstige: 0,5 – 3,4 %.

Ergebnisse

Am 13. April 2008 betrug die Wahlbeteiligung bis 22 Uhr nach offiziellen Angaben 62,728 % und ist damit gegenüber 2006 gesunken – damals betrug sie zur selben Zeit 66,643 %. Die Wahllokale schlossen am 14. April um 15 Uhr. Insgesamt betrug die Beteiligung an beiden Tagen bei den Wahlen zur Abgeordnetenkammer 80,456 % und bei den Senatswahlen 80,507 %, was einem Rückgang von ca. 3 % entspricht.

Nach dem vorläufigen Endergebnis hat Berlusconis Wahlbündnis PdL – LN – MpA in beiden Kammern gegenüber Veltronis PD – IdV klar gewonnen, im Senat mit einem Vorsprung von 9,3 % (47,3 % gegenüber 38,0 %) und in der Abgeordnetenkammer mit 9,2 % Vorsprung (46,8 % gegenüber 37,6 %). Verloren hat demnach vor allem Bertinottis La Sinistra – L'Arcobaleno, die mit nur 3,1 / 3,2 % den Wiedereinzug in beide Kammern verfehlt, während die christdemokratische UdC mit 5,6 / 5,7 % den Einzug in die Abgeordnetenkammer sowie in Sizilien auch in den Senat (mit dort 8,7 %) schafft. Überraschend stark hinzugewonnen hat insbesondere Berlusconis Bündnispartner in den norditalienischen Regionen, die Lega Nord, die auf landesweit 8,3 / 8,1 % der Stimmen kam und ihr Ergebnis somit fast verdoppeln konnte (2006: 4,6 / 4,5 %).

Walter Veltroni hat Berlusconi telefonisch zu seinem Wahlsieg gratuliert und die eigene Niederlage öffentlich eingeräumt.

Aufgrund der laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaften in Reggio Calabria und Rom wegen des Verdachts der Wahlfälschung an 50.000 Stimmzetteln von in Südamerika lebenden Italienern verzögert sich die Auszählung der Stimmen der Auslandsitaliener und damit auch die Bekanntgabe des amtlichen Endergebnisses. In den Wahlbetrugsskandal sollen der Forza Italia-Senator Marcello Dell’Utri und ein Clan der kalabrischen ’Ndrangheta verwickelt sein.

Abgeordnetenkammer

Inland

Aostatal

Auslandswahlbezirk

Senat

Inland

Aostatal und Trentino-Südtirol

Auslandswahlbezirk

Zusammenfassung der Mandate

Wahlbetrug von Deutschland aus

Der Senator Nicola Di Girolamo hat in Deutschland zahlreiche leere Stimmzettel kaufen lassen. Dabei arbeitete er mit der kalabrischen ’Ndrangheta zusammen, welche in Frankfurt a. M. und in Stuttgart diesen Wahlbetrug durchführten. Girolamo soll dabei mit dem Boss Franco Pugliese zusammengearbeitet haben. Es wird vermutet, dass Mario Lavorato die Leute organisiert hat, um bei diesem Betrug zu helfen, jedoch wurde Lavorato nicht namentlich genannt, sondern nur durch sein Kontakte und Eigenschaften angedeutet.

Siehe auch

  • Politisches System Italiens
  • Politische Parteien in Italien
  • Parlamentswahlen in Italien 2006

Literatur

  • Paolo Bellucci: Why Berlusconi’s Landslide Return?, in: Politische Vierteljahresschrift 49 (2008), Nr. 4, S. 605–617
  • Stefan Köppl: Wahlsieg mit Ansage – und doch mit Überraschungen. Die italienischen Parlamentswahlen vom 13./14. April 2008, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen 39 (2008), Nr. 4, S. 740–756
  • Stefan Köppl: Das politische System Italiens. Eine Einführung, VS-Verlag, Wiesbaden, 2007, ISBN 978-3-531-14068-1

Weblinks

  • Sonderseiten des italienischen Innenministeriums (italienisch)
  • Sonderseiten bei ANSA (italienisch)
  • Speciale Elezioni politiche italiane 2008 – Wikinotizie (italienisch)

Einzelnachweise


International Italien vor der Wahl Bildungspolitik auf dem Abstellgleis

Elezioni Politiche 2008 PPT

Italien steht bei der Parlamentswahl vor einem Rechtsruck Ausland

Italien Verhaltene Reaktionen nach Melonis Wahlsieg news.ORF.at

Parlamentswahlen in Europa! Italien EIZ Rostock Europa in MV